Artikel von Linard Bardill

Beim ersten Hören von Nenehs Liedern war ich verzaubert und verwirrt. Was singt sie da? Was meint sie damit? Wie soll ich ihrem Lobgesang, ihrer Glossolalie beikommen? Hatten nicht die Getreuen an Pfingsten so in fremden Zungen gesprochen?
Mit dem Verstand ist dieser Sprache nicht beizukommen, denn die fliegt über dem was wir als Sprache kennen und sie gründet unter ihr. Da ist keine Bedeutung, worauf sie sich bezieht, kein Begriff, den ich begreifen könnte. Was bleibt da noch als das Lauschen auf den Raum des Sprechens im Gesang jenseits aller Begriffe und jenseits des Verstehens.
In diesem Raum tummeln sich ungezählt viele Sprachen. Und doch kleidet die Musik Nenehs Zungensprache in ein Kleid das sie einzig macht. Die Lieder werden in der von Liebe und Sehnsucht, von Glück und Freude umspielten Weite der Musik nah und dringen unmittelbar zum Herzen, das die wortlosen Zauberworte immer und immer wieder hören will…

Was die Lieder zur Sprache bringen, lässt mich sprachlos werden und bringt mich doch zur eignen Sprache. Ich ertappe mich nämlich öfter dabei, die Sprache, die auch in mir, über mir, unter mir schlummert, sprechen zu lassen, Lieder zu singen, die jenseits von Zahlen und Figuren klingen.

Neneh’s Musik inspiriert mich, hinaus und hinein zu hören in die Räume des Versprechens, dass im Geist alles möglich ist. Sie bringt mich zum Glauben, dass die Freiheit nur im Gewand des Vernehmens und die Mitteilung nur im Modus der Freiheit zu finden ist.

Linard Bardill